BGE verspielt Vertrauen – nicht nur in der Region

Stellungnahme der unabhängigen Wissenschaftler bestätigt die Kritik der Bürgerinitiativen am Atommüll-Rückholplan der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) für das Bergwerk Asse II

Pressemitteilung des Asse-II-Koordinationskreises vom 11.9.2020

Am heutigen Nachmittag – 11.9.2020 – hat die wissenschaftliche „Arbeitsgruppe Option – Rückholung“ zum Rückholplan der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) in Cremlingen (Landkreis Wolfenbüttel) sehr kritisch Stellung genommen. Die Antwortversuche der BGE waren hilflos und unzureichend. Die BGE arbeitet offensichtlich gemäß politischer Vorgaben der Bundesregierung und weder hinreichend sachbezogen noch gemäß fachlicher Kriterien. Sie verdient auch keinerlei Vertrauensvorschuss in Sachen „Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll (Castor-Behälter)“. Der „Asse 2-Begleitprozess“ ist wirkungslos und stellt nur noch eine Schein-Beteiligung dar.

Bezüglich Asse II sieht sich der Koordinationskreis unabhängiger Bürgerinitiativen (A2K) vollumfänglich darin bestätigt, den sog. Rückholplan der BGE zurückzuweisen.

  1. Es besteht eine tiefe Kluft zwischen dem Anspruch, den der Titel „Rückholplan“ vermittelt, und dem Inhalt der BGE-Ausarbeitung.

2. Die BGE verhält sich absolut ignorant gegenüber dem Verlangen aus der Region, zwei konkrete Asse-ferne Standorte für ein Atommüll-Zwischenlager in einen Vergleich einzubeziehen.

  • Die BGE vernachlässigt die Emission radioaktiver Teilchen aus dem Atommüll.
  • Für eine seriöse Zwischenlager-Suche müssen die Belastungsfaktoren in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, nicht nur die Direktstrahlung bei LKW-Straßentransporten von Atommüll.
  • Der sog. Rückholplan der BGE ist mehr daran interessiert, eine Atommüll- Konditionierungsanlage und ein langfristiges Zwischenlager an der Asse zu errichten, als daran, Mensch und Umwelt vor der Radioaktivität durch die Rückholung des Atommülls aus dem langfristig absaufenden Atommüll-Bergwerk Asse II zu schützen.

Der Asse II-Koordinationskreis bekräftigt sein Resümee vom 3. Juli 2020: Alles läuft darauf hinaus, die Errichtung von Konditionierungsanlagen und die Zwischenlagerung von Atommüll an der Asse mit unzutreffenden Daten erzwingen zu wollen, ohne vorher die rechtliche Zulässigkeit der Planungen und der Rückholung insgesamt zu klären.

Für detaillierte Kritik verweisen wir auf unsere Publikation „Asse Durchblicke“ Nr. 11 (http://www.asse-watch.de/pdf/Asse_Durchblicke_Nr11_web-120dpi.pdf) und den Anhang dieser Presse-Erklärung.

1.Tiefe Kluft zwischen Titel „Rückholplan“ und dem Inhalt der
 Ausarbeitung

Die AGO moniert, dass der Titel des Berichtes „dem Anspruch nur zum Teil gerecht“ wird, weil „kein klar umrissener Weg zu Vorbereitung, Durchführung und Abschluss der Rückholung beschrieben“ wird. Es sei eine

Zusammenfassung lang bekannter Sachverhalte, keine Planung“. Der A2K hatte am 3. Juli vor der Landespressekonferenz in Hannover kritisiert: „Der sogenannte Rückholplan reiht einige ältere Konzepte aneinander. Es handelt sich um Grob-Konzepte für die Rückholung, für ein Rückholungsbergwerk und Überlegungen des BfS zum Atommüll-Transport und zu bergrechtlichen Genehmigungsfragen.

2. Standortbestimmung: Muss ein Atommüll-Zwischenlager an die Asse?

Zur Frage, ob an der Asse ein Zwischenlager für Atommüll errichtet wird, stellt die AGO fest, dass die BGE „die Forderung der Begleitgruppe und der AGO nach Berücksichtigung zweier konkreter Asse-ferner Standorte beim Standortvergleich nicht erfüllt.“ Es sei „ein Verfahren gewählt (worden), das faktisch auf den Grundsatz hinausläuft ‚ein geeigneter Standort genügt‘.

Auch der A2K hatte am 3. Juli eben diese Fehlstelle benannt: „Der Beschluss der Asse 2 Begleitgruppe, einen Vergleich zwischen Asse-nahen Zwischenlagerstandorten einerseits und andererseits mindestens zwei konkreten Asse-fernen Zwischenlagerstandorten mit größeren Abständen zur Wohnbebauung von ca. vier Kilometern [zu fordern], wurde von der BGE ignoriert.“

Die AGO weist zusätzlich darauf hin: „Die Einbeziehung von zwei zusätzlichen Standorten hätte keinen großen Ressourcen- und Zeitbedarf mit sich gebracht, dem Auswahlverfahren jedoch eine größere Akzeptanz und womöglich eine erhöhte Verfahrenssicherheit gegeben.“

3. Welche Art von Emissionen aus dem radioaktiven  Müll  werden  berücksichtigt?
Zur Frage, welche radioaktiven Emissionen in die Berechnung der Belastung der anwohnenden Bevölkerung eingehen, kritisiert die AGO: „Die Ableitungswerte der Schachtanlage (sind) kein geeigneter Schätzer für die Ableitung bei/nach Rückholung“, denn “unter den derzeitigen Lagerungsbedingungen in weitgehend vom Wetterstrom abgetrennten Einlagerungskammern ist von einer starken Rückhaltung der Radionuklide auszugehen. Daher (sind die) Absolutwerte der Dosis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu niedrig ausgewiesen. Eine angemessen- konservative Berücksichtigung bei übertägiger Lagerung der Abfälle könnte ggf. auch zu einer Bewertung führen, bei der Asse-ferne Standorte günstiger abschneiden.“

Der A2K hatte dazu ausgeführt: „Jetzt schon treten aus dem Atommüll erhebliche Mengen an radioaktivem Wasserstoff (Tritium), Kohlenstoff (C-14) und Radon aus; sie werden über den 11 Meter hohen Diffusor an die Umgebungsluft abgegeben. Das dürfte mit der Rückholung und einer oberirdischen Lagerung eher mehr werden. Daher müssen vor allem die Belastungen durch Radionuklide minimiert werden. Die BGE und vorher das BfS haben dies jedoch außen vor gelassen und nur die Direktstrahlung berücksichtigt, die beim Zwischenlager für die Anwohner von geringerer Bedeutung ist. Bei dem Atommüll aus Asse II sind aber die radioaktiven Teilchen, die über die Abluft freigesetzt werden, relevanter als Direktstrahlung. Diese Teilchen (C-14, Tritium) können eingeatmet werden und sich im Körpergewebe einlagern, weil Menschen, Tiere und Pflanzen im Wesentlichen aus Wasserstoff- und Kohlenstoff-Verbindungen bestehen. Irgendwann zerfallen radioaktive Wasserstoff- oder Kohlenstoffteilchen und lösen im Körper gefährliche ionisierende Strahlung aus.

4. Wie wird die Strahlenbelastung der Bevölkerung ermittelt?

Auch zur Frage, wie aus Werten für die radioaktiven Ableitungen aus dem Atommüll von Asse II die Belastung der Bevölkerung berechnet wird, nahm die AGO Stellung: „Bei der Modellierung zur Ermittlung der Strahlenexposition von Personen der Bevölkerung ist nicht ersichtlich, ob mit den Szenarienannahmen der Strahlenschutzverordnung von 2001 oder der Strahlenschutzverordnung von 2018 gerechnet wurde. Zugrunde zu legende Daten zum Verhalten von Personen unterscheiden sich deutlich und damit auch die errechneten Dosiswerte.“ Die AGO hält es für „befremdlich, wenn derartige Veränderungen ohne Begründung in den entscheidungsrelevanten Unterlagen auftauchen. Außerdem auch Benennung der Dosiswerte für die sensitivste Gruppe der Referenzpersonen (Säuglinge) nötig.

Der A2K hatte die verschwiegene Umstellung der Berechnungsweise etwas detaillierter kritisiert: „Seit dem Beschluss zur Rückholung wurden verschiedene Annahmen beim Strahlenschutz geändert. Unter anderem wurde erstens das Berechnungsmodell der Ausbreitung von Radionukliden von ‚konservativ‘ auf ‚realistisch‘ mit weniger Sicherheitsreserven gewechselt. Zweitens: Die Stundenzahl pro Jahr, für die eine Einwirkung von Radioaktivität auf Anwohner angenommen wurde, wurde stark verringert. Zusammengenommen hat das zur Folge, dass bei gleicher Austrittsmenge von Radioaktivität die daraus entstehende hypothetische Strahlenbelastung von Anwohner*innen nur noch 1/10 bis 1/20 beträgt.

Die Schlussfolgerung des A2K: diese Veränderung der Berechnungsweise kann sogar die juristische Rechtferti- gung der Rückholung insgesamt in Frage stellen: „Der Beschluss zur Rückholung beruhte aber darauf, dass bei einer Flutung von Asse II nach dem alten ‚konservativen‘ Berechnungsmodell kein Langzeitsicherheitsnachweis erbracht werden konnte. Wenn man es jetzt neu rechnen würde, könnte herauskommen, dass die Rechtfertigung der Rückholung hinfällig ist, weil der Langzeitsicherheitsnachweis nun erbracht werden kann, da die Grenzwerte

– aufgrund der Veränderung des Berechnungsmodells – nun nicht mehr überschritten werden.

5. Durchsetzbarkeit wichtiger als Minimierung der Belastung

Die AGO moniert, dass die Ausarbeitung „Rückholplan“ im Wesentlichen daran orientiert ist, möglichst nah an der Asse ein Zwischenlager für Atommüll zu errichten, das zudem für hochradioaktiven Atommüll (Kernbrennstoffe) geeignet ist. Sie urteilt: „der Suchprozess scheint vorrangig am Aspekt der einfachen Durchsetzbarkeit orientiert.“ Ferner hält die AGO fest, dass sie eine „Auslegung des Zwischenlagers auf die Lagerung von Kernbrennstoff (für) nicht nötig“ erachtet, denn „erwartete Mengen könnten in bestehenden, dafür ausgelegten Lägern gelagert werden.“

Auch der A2K hatte kritisiert: „Der BGE-Rückholplan koppelt die Rückholung scheinbar zwingend an die Errichtung einer Konditionierungsanlage und eines langfristigen Atommüll-Zwischenlagers an der Asse. Er lässt eine Studie (GNS/WTI 2011) außen vor, die diese zwingende Notwendigkeit bestreitet.“

Die AGO sieht hier sogar die Gefahr, dass beabsichtigt werden könnte, „in Zukunft das Zwischenlager Asse für die Lagerung von Kernbrennstoffen zu nutzen.“ Sie fordert eine „Überarbeitung und Weiterentwicklung“ zu den zahlreichen Mängeln. Zu den sieben nur mangelhaft ausgeführten Themenbereichen gehören u.a. „Suchraum für ein Zwischenlager, Langzeitaspekte der Zwischenlagerung und alternative Optionen, Umwelt- und Stahlenschutzaspekte bei Standortauswahl und Rückholung, Technische Umsetzbarkeit von Rückholvarianten, … Festsetzung von Konditionierungszielen für Abfälle.

Quellen:

Asse II-Koordinationskreis: Presseerklärung vom 3. Juli 2020, Hannover

Quelle: http://www.asse-watch.de/pdf/2020-07-03_A2K_Pressererklaerung_zum_BGE-Rueckholplan.pdf

Arbeitsgruppe Option – Rückholung: „Schachtanlage Asse II. Beurteilung des Rückholplans und des Standortauswahlberichts der BGE für ein Zwischenlager durch die AGO.“

Präsentation: https://www.ptka.kit.edu/ptka-alt/downloads/%5bA2B-Praesentation%20Bewertung%20R%c3%bcckholplan%5d

%20(AGO-03)%20(10-07-2020f).pdf Stellungnahmen der AGO werden veröffentlicht auf https://www.ptka.kit.edu/ptka-alt/wte/421.php

BGE: Plan zur Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II – Rückholplan, Peine 2020

Quelle: https://www.bge.de/fileadmin/user_upload/Asse/Wesentliche_Unterlagen/Rueckholungsplanung/Der_Rueckholplan/2020-02- 19_Rueckholplan_Rev00.pdf

Pressemitteilung des Asse-II-Koordinationskreises vom 11.9.2020

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