Der Asse II-Koordinationskreis weist den sogenannten „Rückholplan“ der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) vom 19.2.2020 für die Rückholung von Atommüll aus der Schachtanlage Asse II als völlig unzureichend und fehlerhaft zurück.
Dieses Dokument ist nicht viel mehr als eine Aneinanderreihung von überwiegend alten Berichten und Studien, die längst bekannt sind. Es beschreibt die Grundvoraussetzungen, den Ist-Zustand und die vorhandenen Konzeptplanungen sowie weitere Vorstellungen zur Rückholung und eine Standortbestimmung für ein Zwischenlager. Eine professionelle Projektplanung ist das nicht.
Dieser Rückholungsplan ist mit vielen rechtlichen und fachlichen Fragezeichen versehen. Übrig bleiben könnte die Errichtung einer Konditionierungsanlage und eines Langzeit-Zwischenlagers für
schwach- und mittelradioaktiven Atommüll an der Asse, ohne dass je die Rückholung des Atommülls genehmigt werden kann. Damit allein wäre der Region nicht gedient. Die Versuchung wäre groß, diese Konditionierungsanlage und das Zwischenlager für anderen Atommüll zu nutzen, beispielsweise als Eingangslager für Schacht Konrad.
Die sieben wichtigsten Kritikpunkte zum Rückholungsplan:
- Es fehlt ein professionelles Projektmanagement mit einem ständig zu überarbeitenden Zeit- und Masterplan (z.B. Netzplan).
- Es fehlt die Klärung der rechtlichen Situation für eine genehmigungsfähige Rückholung
(Bergrecht §224 ABVO und Atomrecht / Strahlenschutzverordnung 2019) und es fehlt die aktuelle Konsequenzenanlyse im Rückholungsplan. - Es fehlen genaue Beschreibungen, wie der Betreiber dem Minimierungsgebot der Strahlenschutzverordnung gerecht werden will.
- Die GNS/WTI-Studie („Standortunabhängiges Konzept für die Nachqualifizierung und Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle aus Asse II“) zur Minimierung von Freisetzungen radioaktiver Stoffe wurde im Rückholungsplan nicht berücksichtigt. Das heißt: es fehlt eine Planungsvariante, bei der eine Probenahme und Messungen von Radionukliden unter Tage vorgenommen werden – vor der Umverpackung, um unnötiges Öffnen von Atommüll-
Umverpackungen zu vermeiden.
- Es fehlt ein fairer Vergleich zwischen konkreten Zwischenlagerstandorten mit Konditionierungsanlage asse-nah einerseits und andererseits mindestens zwei konkreten assefernen
Zwischenlagerstandorten mit größeren Abständen zur Wohnbebauung (mindestens 4 Kilometer) als bei den möglichen asse-nahen Standorten, z.B. auf bundeseigenen Liegenschaften.
Hierbei ist eine fachliche Störfallbetrachtung mit Einwirkung von außen (Flugzeugabsturz eines großen Verkehrsflugzeuges) zu Zwischenlager und Konditionierungsanlage mit zu beachten. - Der Vergleich zwischen Atommüll-Transporten und Atommüll-Zwischenlager nur bezüglich der Direktstrahlung ist völlig unzureichend, da die Anwohner eines Zwischenlagers
samt einer Konditionierungsanlage viel stärker über die Ableitungen radioaktiver Teilchen radioaktiv belastet werden als über Direktstrahlung. - Es fehlen weiterhin notwendige Analysen, die vor einer Standortentscheidung zu Zwischenlager und Konditionierung zu klären sind:
a) Es fehlt die Betrachtung und Bewertung der Prozesse und der radioaktiven Belastungen, die diese für die Anwohner von Pufferlager, Konditionierung, Zwischenlager mit sich bringen.
b) Es fehlt die Berücksichtigung der radiologischen Dauerbelastung der oberirdischen Anlagen über den Gesamtzeitraum der Rückholung und Zwischenlagerung, mitsamt der Anreicherung
von Radionukliden in der Biosphäre.
c) Es fehlt die Festlegung der Endlagerbedingungen für den Atommüll aus Asse II. Insoweit ist derzeit eine Konditionierung nur für einen Transport in ein Zwischenlager sinnvoll (siehe
GNS/WTI Studie).
Die wichtigsten rechtlichen Fragen zur Rückholung werden im „Rückholplan“ nur nebenbei angesprochen und nicht geklärt.
So wird nur darauf hingewiesen, dass nach Bergrecht §224 ABVO die Sicherheitsabstände von 150 Metern bei aufzufahrenden Stecken und Grubenbauen wohl nicht eingehalten werden können. Wie der Betreiber von Asse II jedoch angesichts dessen für seine Planungen die Genehmigung erlangen will, wird nicht dargestellt.
Auch wurde nicht beschrieben, ob der Bereich unter der 800-Meter-Sohle schon ausreichend erkundet wurde.
Zum Atomrecht beschreibt der Betreiber, dass die Konsequenzenanalyse nach der neuen Strahlenschutzverordnung,
d.h. angeblich realitätsnah statt konservativ (mit Sicherheitsreserven) berechnet wird. Doch auch hier zeigt die BGE nicht auf, wie sie damit die Rückholung genehmigt bekommen will.
Durch die neue Strahlenschutzverordnung von 2019 werden sowohl die radioaktiven Ableitungswerte (in Bequerel) mit einem anderen Modell und anderen Randbedingungen als auch die Belastungswerte (in Sievert) dermaßen heruntergerechnet, so dass ggf. wohl bei künftigen Berechnungen auch für das alte Flutungskonzept (GSF/Helmholz) keine Grenzwertüberschreitung mehr heraus käme. Ein derart schöngerechneter Sicherheitsnachweis könnte dann zum Abbruch der Rückholung führen, obwohl die Sicherheit vor Ort nicht gegeben ist. Ein Auspressen der Radionuklide aus Asse II in die Umwelt und das Grundwasser kann damit weiterhin nicht ausgeschlossen werden.
Der Asse II Koordinationskreis fordert die BGE, BASE, BMU, NMU, LBEG auf die rechtliche Situation und deren Auswirkungen jetzt zu klären.
Die politische Standortbestimmung für ein Atommüll-Zwischenlager und eine Atommüll-Konditionierungsanlage an der Asse wird als Standortvergleich getarnt.
Auch wenn die BGE über ihren „Rückholplan“ als einer „Diskussionsgrundlage“ spricht, so versucht sie doch zur
Standortfrage Pflöcke einzuschlagen und geht entgegen den öffentlich gemachten Zusagen nicht offen und
sachlich mit diesen Themen um. - Der Asse II Koordinationskreis sieht es als politisch motiviertes Vorgehen an, dass in dem Vergleich zwischen radioaktiven Belastungen durch Atommüll-Transport und Belastungen durch Zwischenlagerung von Atommüll im BGE-Rückholungsplan weder die Dauerbelastungen durch Zwischenlager und Konditionierungsanlage noch die Störfallbetrachtung eingeflossen sind.
Auch die unhaltbare Argumentation der BGE und des ehemaligen Betreibers BfS/ BASE zum Thema „Transporte“ mittels einer nachweislich fehlerhaften Parameterstudie lässt die Glaubwürdigkeit von Betreiber und Aufsicht sinken.
Im Rückholungsplan ist nur ein Vergleich der geringen Direktstrahlung dargestellt. Die viel wesentlicheren radioaktiven Belastungen für die Anwohner durch Ableitungen aus Zwischenlager und Konditionierungsanlage wurden nicht berücksichtigt. Die Bevölkerung an der Asse lässt sich nicht verdummen!
Im Jahr 2016 wurden die Fehler in den Parameterstudien schon in der damaligen Asse 2-Begleitgruppe genau erörtert und schriftlich dokumentiert. Dies ist nicht vom Tisch zu wischen!
Die BGE spricht im „Rückholungsplan“ zwar vom Minimierungsgebot, doch durch zusätzliches Öffnen der Umverpackungen des Atommülls plant sie genau das Gegenteil.
Der Asse II-Koordinationskreis hat kein Verständnis dafür, dass die BGE die GNS/WTI Studie (2011) zur möglichen Vermeidung von zusätzlichen Freisetzungen von Radionukliden über die Abluft offenbar nicht berücksichtigt hat.
Im Rückholungsplan ist kein Ansatz erkennbar, dass die BGE überhaupt die Möglichkeit von Beprobungen und Messungen unter Tage planerisch untersucht und die sich daraus ergebende Minimierung der Strahlenbelastung bewertet hat.
Presseerklärung des Asse II-Koordinationskreises vom 17. April 2020
Im Asse II – Koordinationskreis arbeiten unter anderem mit: Aktion Atommüllfreie Asse Wolfenbüttel • AufpASSEn e.V. •
Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Thomas Wolfenbüttel • Jugendumweltnetzwerk Niedersachsen, AK Asse • Vahlberger Asse-
Aktivisten • Wolfenbüttler AtomAusstiegsGruppe (WAAG) • sowie Einzelpersonen
Das BGE wird am Freitag, 17. April seine Rückholungsplanung im Videostream vorstellen:
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